Wie in vielen anderen Familien habe auch ich eine Geschichte einer Auswanderung in meiner Familie. Diese ist sogar recht gut dokumentiert. In einem anderen Projekt von mir ist diese zu lesen.
Aber nicht nur deswegen widme ich dieses Kapitel der Auswanderung – eben auch wegen der Rolle Hamburgs.
Zeitleiste
Auswanderung und Einwanderung hat es in Deutschland schon immer gegeben. Mal in die eine Richtung, mal in die andere. Gründe gab und gibt es immer und Hamburg ist auch immer ein Knotenpunkt gewesen. Wir wollen uns in diesem Abschnitt um die großen Auswanderungswellen von Deutschland nach Amerika beschäftigen.
Die Anfänge der deutschen Auswanderung nach Nordamerika – damals noch britische Kolonien – liegen im späten 17. Jahrhundert. 1683 erhielten 13 deutsche Auswandererfamilien aus dem Raum Krefeld von William Penn, dem Gründer der später nach ihm benannten Kolonie Pennsylvania, die Erlaubnis, sich am Rande der heutigen Stadt Philadelphia anzusiedeln.
Der Auswanderungsstrom aus Südwestdeutschland riss im gesamten 18. Jahrhundert nicht ab. Insgesamt etwa 170000 Menschen aus Baden, Württemberg, der Pfalz, dem Elsass und Lothringen machten sich zwischen 1680 und 1800 auf den Weg nach Amerika.
Im späten 18. Jahrhundert, vor allem aber nach dem Ende der Revolutions- und napoleonischen Kriege (1792 – 1815) in Europa, erfasste die Massenauswanderung nach und nach auch die westlichen, nördlichen und nordöstlichen Landesteile Deutschlands. Ihren ersten Höhepunkt erreichte die Auswanderung in die 1776 vom britischen Kolonialreich unabhängig gewordene USA nach 1817/20. Vor allem durch die große europäische Hungerkrise von 1817 – eine zweite verheerende Hungerkrise 1846/47 sollte dann eine weitere große Auswanderungswelle auslösen – sahen sich viele Menschen, vor allem Angehörige der unterbürgerlichen und unterbäuerlichen Schichten, gezwungen, ihr Glück in Amerika zu suchen.
Zwischen 1820 und 1930 gelangten knapp sechs Millionen Deutsche in die USA.
Seit 1847 betreibt die Hamburger Reederei Hapag einen Linienverkehr auf der Transatlantik-Route zwischen Hamburg und New York . Am 1. Juni 1856 setzt sie erstmals ein Dampfschiff, die „Borussia“, für die Fahrt über den Atlantik ein. Auswanderer gelangen nun in nur 16 Tagen in die Neue Welt. Die Mehrzahl der Emigranten reist für 160 Mark auf dem fensterlosen Zwischendeck. Die Summe entspricht in etwa dem Jahresgehalt eines Arbeiters.
Ab 1890 begann die zweite große Auswanderungswelle „New Immigration“. Vor allem Auswanderer aus Ost- und Südeuropa traten über Deutschland die Reise nach Amerika an. Gleichzeitig änderte sich die Einwanderungspolitik der USA. Die Einwanderungswilligen wurden stärker kontrolliert. Besonders Menschen aus Osteuropa waren nicht mehr gern gesehen, da sie als nicht assimilierungswillig wahrgenommen wurden.
Die Einwanderung nach Amerika wurde schwieriger und 1892 gründete die Regierung daher vor dem Hafen von New York die Einreisebehörde Ellis Island. Auf der vorgelagerten Insel errichteten die Behörden eine neue Sammelstelle, wo bis zu 12.000 Menschen am Tag ankamen. Allein 1907 wurden mehr als eine Million Einwanderer abgefertigt. 40 Prozent aller heutigen US-Bürger haben Vorfahren, die über Ellis Island ins Land kamen.
Zu dieser Zeit lag der Anteil der Deutschen, die über Hamburg ausreisten bei nur 11%. Die Mehrzahl der Transitwanderer aus Osteuropa reiste mit dem Zug nach Hamburg. Vor Ort mußten sie meist einige Zeit auf einen freien Platz an Bord warten. Angesichts des großen Andrangs waren die mehr oder weniger seriösen Logierhäuser, Gästehäuser, Hotels und Privatquartiere der Stadt oft völlig überfüllt. Und mit dem Ausbruch der Cholera verhängt der Hamburger Senat 1892 rigorose Einreisesperren. Viele gaben den Osteuropäern die Schuld an der Cholera. Für die Hapag-Reederei ein großer Verlust. Die Einreise wird aber auf Drängen von Ballin und mit Gesundheitskontrollen vor den Toren der Stadt bereits 1893 wieder aufgenommen.
Albert Ballin läßt ab 1901 mehrere Auswandererhallen auf der Elbinsel Veddel bei Hamburg bauen – die Ballinstadt. Sie hat einen eigenen Bahnanschluss, 14 Gebäuden, darunter eine Speisehalle, Synagoge und Kirche, Lazarett und Geschäfte auf über 50.000 Quadratmeter mit Platz für bis zu 5.000 Menschen.
Gründe
Es lassen sich generell vier Typen der Motivation für die Auswanderung unterscheiden:
- die durch Umwelteinflüsse erzwungene Migration
- Flucht und Vertreibung
- die Migration aus wirtschaftlichen Gründen und
- die Auswanderung aus kulturellen Umständen
In den meisten Fällen lassen sich die oben vorgestellten Motive für eine Auswanderung nicht eindeutig voneinander trennen. Meist spielen mehrere Faktoren und ihr komplexes Zusammenspiel eine wichtige Rolle.
Umwelteinflüsse
Bedingt durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien 1816/1817, einen der stärksten bekannten Vulkanausbrüche überhaupt, wurde so viel Asche in die Atmosphäre geschleudert, dass es auf der nördlichen Halbkugel zu extrem nassen, kalten Sommern kam („Jahr ohne Sommer“) und die Ernte zweier Jahre ausfiel. Deshalb kam es zu einer großen Emigrationsbewegung. In Südwestdeutschland schifften sich viele Menschen auf der Donau ein und siedelten in Südrussland (Bessarabien, in der Gegend um Odessa und um Tiflis im Kaukasus). Ein kleinerer Teil der Emigranten suchte in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat.
Aber auch die Kartoffelfäule seit 1844 führte zu Huger und Not.
Flucht und Vertreibung
Einer der größten Treiber der Auswanderung, vor allem aus Russland, sind die Pogrome gegen Juden gewesen.
Wirtschaftliche Gründe
Vorindustrielles Bevölkerungswachstum, ausgelöst durch verbesserte Ernährung (Nutzung der Kartoffel zur Grundversorgung), und Medizin (geringerer Sterblichkeit) sowie durch neue Arbeitsplätze und Existenzmöglichkeiten (Hausindustrie). Es gab also mehr Arbeitsplätze für mehr Menschen – aber das Leben verbesserte sich nicht wirklich. Es gab nur eben mehr Menschen, die an der Armutsgrenze leben mußten. Mit der zunehmenden Industrialisierung treten wirtschaftliche und soziale Nöte in den Vordergrund. [Pauperismus]
Es gibt aber nicht Push-Gründe das eigene Land zu Verlassen, sondern auch Pull-Gründe, also Gründe, die die Menschen in das Ausland zogen. Dazu gehört natürlich auch die Goldfunde in Kalifornien im Jahre 1848.
kulturelle Gründe
Auch Veränderungen in der Kultur eines Landes können zu Emigration führen. Die Einführung eines Militärdienstes oder aber Veränderungen des Erbrechts. Wenn plötzlich jedes Kind ein Stück vom Land der Eltern bekommt, dann werden die Parzellen immer kleiner und oft reichen sie nicht zur Selbstversorgung.
Religiöse Splittergruppen erhofften sich zum Beispiel im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ mehr Religionsfreiheit. Viele politisch Aktive hatten nach der gescheiterten Revolution im Jahre 1848 die Hoffnung auf ein demokratisches Deutschland verloren und verließen deshalb die Heimat.
Infrastruktur
Aber wie sind die Auswanderer von Europa nach Amerika gekommen? Hier müssen wir eigentlich zwei große Epochen unterscheiden. Zum einen die Zeit vor 1880 und die Zeit danach.
vor 1880
Schiffe, die bis etwa 1880 Deutschland verließen – meist in Richtung Süd- und Nordamerika – waren eigentlich Frachtschiffe. In ihren Zwischendecks wurden Waren von Amerika nach Europa gebracht.
Auf dem Rückweg war der Platz frei – Auswanderer waren für die Reedereien also ein willkommenes Zusatzgeschäft. Die Auswanderer mussten als „Fracht“ mehrere Wochen dicht gedrängt unter Deck bleiben, oft ohne Tageslicht und Frischluft.
Die hygienischen Verhältnisse verursachten schwere Krankheiten wie Typhus und Mundfäule. Die Verpflegung mussten sich die Leute selbst mitbringen – doch wenn die Fahrt statt sechs Wochen zehn dauerte, verhungerten viele Passagiere. Nur rund 50 Prozent überlebten diese Tortur.
Da viele Auswanderer die Überfahrt nicht bezahlen konnten, ließen sie sich anwerben und verpflichteten sich, für den neuen Arbeitgeber in Übersee mehrere Jahre nur für Kost und Logis zu arbeiten. Wenn sie „entlassen“ wurden, bekamen sie vom Dienstherren oft ein Stück Land dazu, das sie bewirtschaften konnten.
nach 1880
Anders war die Situation auf den Dampfschiffen, mit denen die Menschen ab 1880 Deutschland verließen. Selbst in der untersten Klasse, im sogenannten Zwischendeck, versetzte der sparsame Luxus mit regelmäßigen Mahlzeiten, eigener Matratze und Unterhaltungsprogramm am Abend so manch junge Dienstmagd vom Land in Erstaunen.
Auswandererschutzgesetze verpflichteten die Reedereien, die Passagiere zu verpflegen, für Hygiene zu sorgen und jedem eine Koje bereitzustellen. Die Auswanderer waren noch immer ein gutes Geschäft, doch ab 1900 machten sich die Dampfschiff-Betreiber gegenseitig mehr Konkurrenz. In der Folge wurden die Bedingungen angenehmer und die Überfahrten günstiger.
Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag)
41 Kaufleute, darunter so renommierte Unternehmer wie August Bolten und Ferdinand Laeisz, gründen am 27. Mai 1847 eine eigene Schifffahrtslinie, die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft, kurz: Hapag. Im Oktober des folgenden Jahres eröffnet das Dreimast-Vollschiff „Deutschland“ mit 500 BRT und 700 Tonnen Tragfähigkeit den regelmäßigen Nordatlantikdienst nach New York. Drei Schiffe sind zunächst im Einsatz. Sie haben 15 bis 17 Mann Besatzung, können 20 Passagiere in der Kajüte und 200 Reisende im günstigeren Zwischendeck befördern, verfügen außerdem über Laderäume für Gepäck, Handelsgut und Postsendungen.
Unter dem Generaldirektor Albert Ballin, der die Hapag seit 1889 führt, expandiert das Unternehmen, setzt verstärkt auf das stetig wachsende Frachtgeschäft und nimmt Vergnügungsfahrten auf prächtig ausgestatteten Passagierschiffen in ihr Programm auf. Am 22. Januar 1891 startet die „Augusta Victoria“ erstmals mit 240 Passagieren von Cuxhaven aus ins Mittelmeer. Es ist die Geburtsstunde der Kreuzfahrt.
Albert Ballin ist selbst Sohn eines Auswanderers. Sein Vater Samuel Joseph Ballin (1804–1874) war aus Dänemark eingewandert und betrieb in Hamburg eine Agentur für Auswanderung.
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1856 beförderte die Hapag-Reederei nur 3.043 Auswanderer von Hamburg nach New York. Die Anzahl stieg in Wellen auf 66.862 im Jahr 1890. Ab 1903 wanderten jährlich kontinuierlich mehr als 100.000 Menschen über die Hansestadt aus. 1913 erreichte die Welle mit 192.733 Auswanderern ihren Höhepunkt.
Der Erste Weltkrieg führte zum Niedergang des der Hapag. Der uneingeschränkten U-Boot-Krieg ab 1917 ließ den Handelsverkehr zusammenbrechen, Hapag Schiffe wurden von der Marine beansprucht, in ausländischen Häfen festgesetzt oder sie lagen untätig im Hamburger Hafen.
Angesichts der Zerstörung seines Lebenswerks und des zunehmenden Antisemitismus in Deutschland beendete Albert Ballin sein Leben am 9. November 1918, nachdem in Deutschland die Republik ausgerufen wurde.
Rolle Hamburgs
Um 1900 ist Hamburg einer der bedeutendsten europäischen Auswandererhäfen. Vor allem Osteuropäer gehen hier an Bord eines Schiffes. Das Ziel: Amerika. Allein zwischen 1850 und 1934 sind fünf Millionen Auswanderer diese Reise angetreten.
Auswandern über Hamburg wurde 1825 verboten. Grund waren die kriminellen Geschäfte der „Seelenverkäufer“ mit den Auswanderern. Da aber Bremen hervorragend an dem Geschäft verdiente hob Hamburg das Verbot schnell wieder auf.
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