Gegen 08.00 Uhr – es ist noch duster – liegen wir unter grauem Himmel vor der Kieler Bucht und den Schleusen in Holtenau. Überall sind Lichter zu sehen. Je nach Verkehrsaufkommen kann sich hier ein Stau aufbauen, so dass einem der Zeitplan „verhagelt“ wird. Man muss halt abwarten, die Schleuse hinter sich bringen, den Lotsen – und bei unserer Größe zusätzlich 2 Kanalsteuerer – übernehmen, und erst danach wird die eigentliche Kanalfahrt beginnen. Für uns geht es um 08.15 weiter: MS HANSEATIC spirit fährt in die Kammer der Nordschleuse ein. Neben uns in der Südschleuse liegen zwei Massengutfrachter, ein Tankschiff und ein kleines Mehrzweckschiff. Um 09.30 Uhr fahren wir aus der Schleuse heraus. Vor uns sehen wir die zwei parallelen Straßenhochbrücken in Holtenau; sie sind jeweils dreistreifig plus Rad- und Fußweg (Bundesstraße 503).

Während der Fahrt werden uns unsere Experten „begleiten“, sprich: in Abständen über die Bordsprechanlage Erläuterungen geben, z. B. einige der insgesamt 10 Brücken erwähnen, die den Kanal überqueren. Die bekannteste unter ihnen ist wohl die in Rendsburg befindliche Eisenbahnhochbrücke mit der – früher – darunter hängenden Schwebefähre. Alle Brücken haben übrigens die gleiche Durchfahrtshöhe von 42 m für die Schifffahrt, weil der Kanal beim Bau für die Linienschiffe der DEUTSCHLAND-Klasse der Kaiserlichen Marine des Deutschen Reiches ausgelegt worden ist.

Im Grunde können wir uns jetzt ein wenig wie einst Kaiser Wilhelm II. fühlen. Er hat am 20. Juni 1895 den nach seinem Vater Wilhelm I. am 21. Juni 1896 benannten Kaiser-Wilhelm- Kanal eröffnet – und natürlich mit der kaiserlichen Yacht HOHENZOLLERN befahren. (Mit diesem Schiff ist der Kaiser übrigens mehrfach in Skandinavien gewesen. Er ist ein großer Liebhaber der nordischen Länder gewesen.)

Seit 1948 wird der knapp 100 km lange Kaiser-Wilhelm-Kanal als Nord-Ostsee-Kanal oder auch als Kiel-Canal bezeichnet. Er verbindet die Nordsee (Elbmündung) mit der Ostsee (Kieler Förde) und gehört weltweit zu den am meisten befahrenen künstlichen Wasserstraßen für Seeschiffe. Im Jahr 2019 haben ihn 28.797 Schiffe passiert im Jahr 2018 30.009 Schiffe.

Z. B. erwähnenswert im Bereich Rendsburg ist das „Eisstübchen am Kanal“ auf der Steuerbordseite, wo es nach Aussage der Kanallotsen das beste Eis weit und breit gibt. Das Skurrilste am ganzen Nord-Ostsee-Kanal ist sicher die „längste aktuell aufgebaute Sitzbank der Welt“, die 1989 erichtet worden ist. Die „Startlänge“ hat 501,53 m betragen. Wenn die Recherche stimmt, dann ist sie derzeit auf 575,75 m verlängert (entspricht ca. 1.700 „Besetzern“) – Weltrekord und vom Schiff aus wieder auf der Steuerbordseite gut zu sehen! Rendsburg ist auch die größte Stadt, die am Wege liegt. Mit ihren knapp 30.000 Einwohnern ist sie Sitz der Verwaltung des Kreises Rendsburg-Eckernförde.

Kurz hinter Rendsburg, bei Schülp (Lotsenstation Rüsterbergen), wird der Kanallotse gewechselt. Die gesamte Strecke von Holtenau bis Brunsbüttel ist zwar nicht übermäßig lang (42 nm), aber es ist – besonders bei unsichtigem Wetter – wahnsinnig anstrengend, den letztlich engen Kanal zu befahren, dort ein großes Schiff zu steuern. Wenn man nicht hochkonzentriert fährt, gerät man leicht in die Böschung des Kanals. Wer seinen Kanallotsenjob liebt – und behalten möchte – wird dies gerne vermeiden.

Um 09.30 Uhr hält Experte Bernd Stolzenberg im HanseAtrium einen Vortrag über den Nord- Ostsee-Kanal. Seine Kollegen halten sich zwischen 10.00 und 12.00 Uhr in der Ocean Academy auf Deck 8 auf, um letzte und allerletzte Fragen zu besprechen und nach Möglichkeit zu klären.

Unsere Bordfotografin Maryna Kugelmann wiederum präsentiert um 14.00 Uhr ihren Reise- film. Um 16.00 Uhr folgen die Fotos dieser Reise. Schön, dass wir Marynas Arbeiten auch erwerben und mit nach Hause nehmen können. Eine tolle Erinnerung an eine schöne Reise! Um 15.00 Uhr gibt es ein „Service Club Meeting“ in der Observation Lounge, und um 17.30 Uhr kann man auf Deck 9 dem „Kultspiel auf hoher See“, dem Shuffleboard, frönen.

Die Experten sind heute nicht nur mit Mikroskope desinfizieren, neue Vorträge für kommende Reisen zusammenstellen, Fragen beantworten, Gäste bei deren Reiseplanung beraten, Blei- stifte spitzen, Reports schreiben, Kofferpacken, Kammer ausfegen etc. beschäftigt, sie laden für 18.30 Uhr auch noch einmal ins HanseAtrium ein. Ihr Gesamt-Recap haben sie in die Form eines Quiz verpackt. Gemeinsam schauen wir auf die zusammengestellten Fragen und versuchen sie zu lösen. Eine gelungene Abrundung des „Wissens-Programms“ der Reise! Und ein wenig schade, dass bei dieser Gelegenheit auch „tschüss“ zu sagen ist!

Am Ende unserer Befahrung des Nord-Ostsee-Kanals steht wieder eine Schleuse, dieses Mal die in Brunsbüttel. Gegen 18.30 Uhr planen wir vor Ort zu sein. Irgendwann vor Mitternacht wird MS HANSEATIC spirit dann in Hamburg festmachen. Unser Liegeplatz wird die Pier am Cruise Center Altona sein.

Und nun zum letzten Mal auf dieser Reise: Gute Nacht! (Wir träumen uns u. a. zurück auf den Holmenkollen in Oslo, nach Den Gamle By in Aarhus, zur Kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen, nach Gamla Stan in Stockholm und vor die Kreidefelsen von Møns Klint.)