Mittwoch, 15. Dezember 2021 (Stockholm, Schweden)

Der Morgen zieht grau herauf, aber die Stimmung draußen hat auch etwas Magisches. Gegen 08.00 Uhr erreicht die HANSEATIC spirit den Schärengarten vor Stockholm. Ein Meerbusen der Ostsee umschließt ja Stockholm im Osten mit zahlreichen Buchten, Landzungen und etwa 24.000 größeren und kleineren Inseln, den Schären. Das gesamte Gebiet wird auch Stockholmer Schärengarten (Skärgården) genannt, wobei von „Garten“ keine Rede sein kann; es ist ein Übersetzungsfehler.

Eine Schäre (schwedisch skär; norwegisch skjær oder skjer; isländisch sker; englisch skerry – alle aus dem altnordischen sker) ist eine kleine, felsige Insel, die durch Eiszeiten entstanden ist. Das bis vor etwa 10.000 Jahren auf Skandinavien liegende Inlandeis überströmte und schliff die darunter liegenden Gesteinsmassen. So bildeten sich flache, abgerundete Formen heraus. Nach dem Rückgang und Abtauen des Eisschildes hat sich das Land gehoben; man spricht von einer postglazialen Landhebung. Die Folge? Es tauchten kleinere und größere Inseln aus dem Meer auf – und diese nahmen und nehmen bei anhaltender Landhebung an Fläche zu. Schären können also wenige Quadratmeter bis einige Quadratkilometer groß sein. Und man muss sie in regelmäßigen Abständen neu vermessen, die Karten, vor allem die Seekarten neu zeichnen!

Der Stockholmer Schärengarten erstreckt sich von Stockholm ca. 60 km nach Osten, sowie von der Insel Öja im Süden bis zur Insel Väddö im Norden. Er besteht aus ca. 24.000 Inseln. Zu den bekannteren Inseln zählen Dalarö, Grinda, Husarö, Ljusterö, Möja, Rödlöga, Runmarö, Utö, Ornö, Svanholmen und Svartsö.

Das Gebiet zu befahren, ist nautisch anspruchsvoll. Auf der Brücke herrscht eine gewisse Anspannung, denn trotz der Unterstützung durch einen Lotsen muss absolut sauber navigiert werden. Fehler kann man sich hier nicht leisten; der Untergrund besteht überwiegend aus Granit.

An Vögeln beobachten wir: Höckerschwan, Gänsesäger, Bläßhuhn und Nebelkrähe. „Schaun mer mal,“ wie unsere Vogelliste am Ende der Reise ausschauen wird. Um 10.30 Uhr passieren wir eine Engstelle. Durch dieses Nadelöhr mit dem schwedischen Namen Oxsdjupet müssen alle Schiffe hindurchfahren, die Stockholm bzw. (den) Schweden Böses wollen. Was Wunder, dass die Schweden beide Seiten dieser Engstelle befestigt haben. Dabei ist die Festung Oskar-Fredriksborg eine historische Befestigungsanlage auf Ost-Rindö. Diese Festung wurde in den Jahren 1870 bis 1877 errichtet und hat ihren Namen von dem Ort Oskar-Fredriksborg, welcher sich ganz in der Nähe befindet. Östlich der Enge befindet sich die Festung Fredriksborg, die aus dem Jahr 1735 stammt.

Um 12.15 Uhr machen wir an einer Pier im Innenstadtbereich von Stockholm fest; das Schiff liegt direkt beim Fotografiska-Museum.

Stockholm ist die Hauptstadt Schwedens und mit rund 1 Mio. für die eigentliche Stadt und rund 2 Mio. Einwohnern für Groß- Stockholm die größte Stadt / der größte Ballungsraum in Skandinavien. Stockholm liegt am Ausfluss des Sees Mälaren in die Ostsee, dem Riddarfjärden. Der See erstreckt sich 120 km nach Westen ins Landesinnere. Slussen, eine Schleuse mitten in Stockholm, trennt das Süßwasser des Mälaren vom Salzwasser der östlich liegenden Ostsee. Wasser macht im Übrigen etwa 30 % der Stadtfläche von Stockholm aus. Die Stadt erstreckt sich über 14 Inseln, die durch insgesamt 53 Brücken verbunden sind.

Stockholm hat eine mehr als sieben Jahrhunderte zurückreichende Besiedlungsgeschichte und ist seit 1643 die Residenz des Königs. Die Stadt ist sowohl Sitz des schwedischen Parlaments, als auch der schwedischen Regierung. Sie ist ebenso

das kulturelle Zentrum des Landes und Bischofssitz. Den Eindruck einer Metropole haben auch wir sofort. Unser Schiff liegt ja vertäut mitten in der Stadt, und die Gebäudefronten um uns herum sind imponierend.
Einen Überblick gewinnt man, wenn man anhand von Karte, Stadtplan und Reiseführer vom Schiff aus eine imaginäre Runde gegen den Uhrzeigersinn um Kastellholmen und Skeppsholmen herum dreht. Was sehen wir, was fällt uns auf, was werden wir sehen, was wird uns auffallen? Nah beim Schiff das Fotografiska, ein Backsteinbau von 1910. Das Gebäude hat früher als Zollhaus gedient und ist heute ein Museum mit Ausstellungen zeitgenössischer Fotografie. Der Vergnügungspark Gröna Lunds Tivoli fällt mit Achterbahn und atemberaubend hohem Kettenkarussell ins Auge – jetzt aus einer anderen Perspektive als vorhin bei der An- fahrt. An Backbord = links das Kastellet, eine Befestigungsanlage aus alter Zeit, gebaut 1667. Aber wie es so ist, wenn man mit Munition zu tun hat, das Zeug kann einem auch mal um die Ohren fliegen. Das ist hier Mitte des 19. Jahrhunderts passiert, und deshalb musste neu gebaut werden. Der heutige Bau mit seinen Zinnen und Türmchen stammt aus den Jahren 1846 – 1848. Dafür liegt ein schönes, weißes, allerdings bereits eingewintertes Zweimast-Segelschiff.

An Steuerbord = rechts jetzt weitere Museen: ABBA The Museum, das Vasamuseet und das Nordiske Museet. Das können die Skandinavier gut, um erhaltenswerte historische Schiffe herum Museen bauen! Man denke in diesem Zusammenhang an entsprechende Beispiele in Oslo (betr. FRAM und GJØA, aber auch Thor Heyerdahls Flöße und Boote und die Wikinger- schiffe). Die VASA (oder WASA) ist eine Galeone, die zu den größten und am stärksten be- waffneten Kriegsschiffen ihrer Zeit zählt. Konstruktionsbedingt topplastig und damit völlig in- stabil, ist das Schiff bereits zu Beginn seiner Jungfernfahrt am 10. August 1628 gesunken. Das Schiff hat im Lauf seines gesamten Lebens ganze 1.300 m zurückgelegt! Die Psychologie / Ethologie dahinter ist einer persönlichen Recherche wert; man kann viel über den Menschen lernen! (Viel Spaß!) Nach der Bergung im Jahr 1961 wurde die VASA restauriert und fristet jetzt ihr weiteres Dasein im Trockenen.

Wir könnten weiter einen Blick auf diverse Freizeitboote der Stockholmer werfen. Bei den schön erhaltenen traditionellen Holzbooten huscht einem ein Lächeln über das Gesicht; bei den geschniegelt-schnittigen Kunststoff-Fiberglas-Motorbooten mit eingebautem Imponierfaktor weicht das einem Stirnrunzeln.

Kurz könnten wir die Nase nach Nybroviken hinein stecken, an deren Ufer das Hotel Radisson liegt. Dann in rascher Folge als auffälligste Gebäude der imposanten Stockholmer Hafenkulisse: Nationalmuseum, Grand Hotel, Kungsträdgården (= „Königsgarten“), Königliche Oper, Reichstag, Schloss. Wir kehren zurück zum Schiff und stoppen zu Füßen von Gustav III., der auf einem großen Sockel steht und dem Hafenbecken den Rücken zuwendet. Die Erklärung dafür? Er ist idealisiert so dargestellt, wie er seinerzeit, nach dem gewonnenen Krieg gegen die Russen (1788 – 1790) triumphierend vom Schiff an Land gegangen ist.

Geht man in die Richtung, in die der König schaut, dann landet man nicht nur beim Schloss, sondern auch in den Gassen der Stockholmer Altstadt, Gamla Stan genannt. Und hier liegt auch unser Zu-Fuß-Herumstreifen-Gebiet, wenn wir nachher mit den Tendern an Land gefahren sind.

Insgesamt: Stockholm gefällt uns! Zumal das Wetter einigermaßen mitspielt. Wir haben zwar einen mehr oder weniger bewölkten Himmel, es ist grau, aber es ist nicht sehr kalt, es regnet nicht, und wenn, dann ist es lediglich nieselig!

Wer nicht „auf Ausflug“ ist, streunt selbständig durch die Gassen von Gamla Stan, der Altstadt von Stockholm, nimmt sich gezielt eines der vielen Museen vor oder setzt sich einfach auf eine Bank am Ufer und schaut über die Innenstadt. Die meisten sind zwischen 18.00 und 19.00 Uhr zurück an Bord. Nach dem Abendessen lässt sich mancher noch ein wenig in den beiden Lounges musikalisch unterhalten.

Donnerstag, 16. Dezember 2021 (Stockholm und auf See in Rich- tung Visby, Gotland, Schweden)

Tag zwei in Stockholm! Der Tenderservice beginnt um 09.00 Uhr; er wird bis 17.00 Uhr auf- recht erhalten werden. Und der Tag beginnt mit einem sehr schönen, warmen Morgenlicht. Ein durchgehend sonniger Tag kündigt sich an. Was haben wir für ein Glück!

Spätestens um 13.00 Uhr sind alle Ausflügler zurück. Nach Mittagessen und ggf. Mittags- schläfchen gehen einige noch einmal los, um vielleicht die königliche Rüstkammer unten im Schloss oder ein anderes Museum zu erkunden, shoppen zu gehen, noch einmal durch die engen Gassen von Gamla Stan zu streifen oder, oder, oder ….. Auch das Fotografiska in un- mittelbarer Nähe zum Schiff findet Interessenten. Stockholm hat aber auch wirklich mehr als sehr viel zu bieten! – Und das heute bei bestem Wetter!

Landgangsende ist um 17.30 Uhr. Um 18.00 Uhr setzen wir uns nach Gotland „in Marsch“. Draußen erst noch die Lichter der Metropole, dann schemenhaft die Schären, und dann verteilt über die Landschaft rote, grüne und weiße Lichter, die die Fahrrinne in Richtung offene Ostsee markieren.

Bis zu unserem Ziel haben wir 99 nm zu versegeln. Eigentlich haben wir Visby, den Hauptort der Insel, auf dem Fahrplan. Das müssen die Nautiker aber ändern, was der Kapitän dann auch vor der Abfahrt über Lautsprecher bekannt gibt: Wir haben sehr viel Wind, und den auch noch aus der „falschen“ Richtung, so dass wir mit dem Hafen von Visby nichts anfangen können. Bedeutet: Wir fahren gleich auf die Westseite = Leeseite von Gotland und planen, dort im Hafen von Slite festzumachen. Slite hat etwa 1.500 Einwohner; das Bild des Ortes wird im Wesentlichen von einer großen Zementfabrik bestimmt.

Alle morgigen Aktivitäten haben Visby zum Ausgangspunkt gehabt, und so muss das gesamte Programm „neu gestrickt“ werden. Wir werden vor allem längere Wege haben und Busse ein- setzen müssen, die uns von Slite quer über die Insel in den Hauptort und wieder zurück zum Schiff bringen werden. So ganz nach Fahrplan wird das nicht gehen, denn die Busse werden auch als Schulbusse eingesetzt – und die Schulkinder von Gotland müssen schließlich auch zu ihrem Recht kommen.

Um 18.30 Uhr geben die Experten – in diesem Fall ist Klaus Kiesewetter der Referent – im HanseAtrium einen Überblick über das für den morgigen Tag Geplante. Wir werden sehen, wie es werden wird!

Dem Abendessen folgt die „Abendschule“: Bernd Stolzenberg beschäftigt sich um 21.30 Uhr mit einem maritimen Thema: „Vom Liner zum Cruiseliner: Geschichte und Geschichten über die Transatlantikschifffahrt“. Spannend!
Anschließend kann man in den beiden Lounges noch Musik hören und den Tag endgültig ausklingen lassen. Ziemlich bald aber heißt es „Hahn in Ruh!“.