Heute morgen – es ist wieder etwas gräulich – befindet sich die HANSEATIC spirit nach wie vor auf dem Weg nach Møn. Møn ist eine Insel im dänischen Teil der Ostsee. Sie liegt zwischen der Südspitze Seelands und der Ostspitze Falsters. Die Insel ist ca. 25 km lang und ca. 8 km breit und hat eine Fläche von knapp 220 km2. Die höchste Erhebung ist der Aborrebjerg mit 143 m; der Bjerg ist gleichzeitig die höchste Erhebung ganz Dänemarks!
1965 hat die Einwohnerzahl noch bei über 12.000 gelegen. Per 01. Januar 2021 ist sie aber auf 9.226 zurückgegangen. Dabei könnten Bewohner wohl gut auf der Insel leben; Møn ist eine beliebte Touristen-Insel. Einer der Touristen ist übrigens Günter Grass gewesen. Ab 1976 hat er seine Sommer in Ulvshale, der Halbinsel im Norden von Møn, verbracht. Nach 1991 hat er sein Refugium, das Vogterhus, ganzjährig von der Wald- und Naturbehörde gemietet. Auf Møn sind u. a. Teile des Romans „Der Butt“ entstanden.
Den halben Seetag nutzen wir natürlich auch für einen Vortrag. Unser Biologe Dr. Eckart Pott beschäftigt sich und uns um 10.30 Uhr im HanseAtrium mit dem Thema „Krabbe, Muschel, Schwamm und Seestern: Wirbellose Tiere im Meer“ – eine schöne Ergänzung zu seiner Einführung in die Allgemeine Meereskunde von vor ein paar Tagen. Die dargestellte Formenvielfalt macht viel Freude, aber manch einer mag anschließend auch nur denken: „Herrgott, wie ist Dein Tierreich groß!“
Kurz nach Mittag wird’s wieder lokal! – Um 12.15 Uhr taucht die Insel Møn, genauer: die Ostküste von Møn, Møns Klint genannt, vor uns aus dem Nebel auf. Die Oberkante der Steilküste fällt ungefähr mit der Unterkante der Wolkendecke zusammen. Diese Küste liegt schräg gegenüber der Insel Rügen an der Küste von Mecklenburg-Vorpommern! Aber während jeder Deutsche die Kreideküsten-Bilder des frühromantischen Malers Caspar David Friedrich (1774 – 1840) kennt, ist vielen kaum bekannt, dass die Dänen auch über eine Kreideküste, genau hier auf Møn, wo wir gerade sind und die entsprechenden Gemälde verfügen.
Erholungssuchende fasziniert die Ähnlichkeit von Møn zur Insel Rügen immer wieder. Das liegt daran, dass beide dieselbe Entstehungsgeschichte haben: In der Kreidezeit, vor 70 bis 80 Mio. Jahren haben sich in einem etwa 100 km breiten Bereich (Ost-West Ausdehnung) des Meeres gefälltes Kalzit und Reste von Coccolithophoriden und Foraminiferen abgelagert. In einer Meerestiefe von 200 bis 400 m hat sich so ein Kalksediment mit einer Mächtigkeit von bis zu 400 m abgelagert. (Darin stecken auch die abgestorbenen Wirbellosen, die wir heute fossilisiert bei Strandwanderungen entlang der Kreideküsten von Rügen und von Møn finden. – Wir finden dort übrigens auch viel Feuerstein und Hühnergötter etc.. – Wer mag, sollte dies einmal in Ruhe zu Hause recherchieren.)
Durch tektonische Vorgänge sind diese Sedimente dann an und über die Erdoberfläche gehoben worden. Die Insel Møn und die Insel Rügen auf der gegenüberliegenden Seite der Ostsee haben einst beide zu einem größeren Plateau aus Kreidekalk gehört.
Die höchste Steilküste Dänemarks heißt – wie gesagt – Møns Klint. In einem Atemzug mit der Kreideküste auf Rügen kommen oft die Namen Stubbenkammer und Nationalpark Jasmund ins Spiel. Besonders nett ist, dass es an der Kreideküste von Rügen den Königsstuhl (118 m) gibt, an der von Møn den Dronningestolen, den Königinnenstuhl (128 m).
Dies alles wollen wir uns intensiver ansehen. Wir wollen dabei nicht nur von Bord aus schauen, sondern auch unsere Zodiacflotte zum Einsatz kommen lassen. Vom Wasserspiegel aus se- hen die Kreisefelsen von Møn deutlich imposanter aus als von Deck 8 oder Deck 9 aus. Also fällt der Anker, und zwar um 12.50 Uhr, etwas eher als ursprünglich kalkuliert. Nach den notwendigen Vorbereitungen fährt um 13.25 Uhr das erste Zodiac (unter dem Kommando von Staff Kapitän Edgar Lissow) vom Sidegate los. Die anderen Boote folgen rasch aufeinander. Es wird ein Dreieckskurs gefahren: Erst geht es ein Stück nach Südwesten auf die Küste zu, dann entlang der Küste nach Norden und wieder zurück zum Schiff = etwa nach Osten. Leider macht etwa die Hälfte der Gäste nicht Gebrauch von dem Angebot, per Zodiac ganz nah an die Küste heranzufahren. Diejenigen aber, die unterwegs sind, sehen viel und erfahren viel und sind einfach froh, draußen zu sein. Und sie haben die während dieser Reise die erste Möglichkeit, das Schiff auf See von außen zu sehen und zu fotografieren.
Das letzte Zodiac ist um 15.00 Uhr zurück, und gegen 15.15 Uhr verlässt die HANSEATIC spirit die Reede von Møn, vor Møns Klint. Wir machen uns auf den Weg nach Hause, sprich: auf den Eingang des Nord-Ostsee-Kanals zu. 112 nm haben wir vor dem Bug. Um 09.00 Uhr wollen wir in Holtenau sein – so wieder ursprüngliche Plan. Wir haben heute aber etwas Zeit gutgemacht und könnten ggf. auch etwas eher in Holtenau sein.
Dieser tolle Expeditionstag geht zu Ende mit einem weiteren Highlight der Reise: Kapitän Axel Engeldrum lädt für 21.30 Uhr zum „Farewell Cocktail“ in’s HanseAtrium ein. Während dieser heiteren Zusammenkunft wird auch die Seekarte der Reise verlost, die unsere Bordfriseurin Jasmin Goebelhaider (Ocean Spa) gestaltet hat. Anschließend lassen wir den Abend in einer der Lounges ausklingen. Morgen werden wir dann den NOK durchfahren.